+ Sulke: Chansons - garantiert gefühlsecht
Aus dem Archiv gegraben - heute eine übliche Länge für Rezensionen, damals eine echte Kurzkritik. Erschienen im Feuilleton der SZ, 17. März 2003
Saarbrücken. „Mensch, Stephan, mach' kein' Quatsch!“, denkt man und möchte ins Taschentuch schniefen, teils aus Mitleid, teils aus Hochachtung vor so viel innerer Größe. Ist er nach jahrelanger Bühnen-Abstinenz wirklich nur zurückgekehrt, um uns das kaum von Ironie getrübte Hohelied des ewigen Verlierers zu singen? Dass einer mit so 'nem Gesicht wie seinem eh keine Chance hat, dass man immer wieder die gleichen Fehler macht, dass man am Ende doch immer allein ist – nur zornesmüder Wehmut?
Keine Bange, schon kriegt er die Kurve und zerbeißt mit altersweisem Grimm unsere Spießerträume, zerdeppert unser Ehegeschirr – „Mensch, so 'ne Scheiße“ dichtet er und scheint zu Brautkleid und Kinderwunsch nach wie vor ein gespaltenes Verhältnis zu haben. Auch an schelmischer Bühnenpräsenz hat Stephan Sulke nichts verloren, wie er da am Samstagabend mit dem Charme eines verbummelten Abiturienten vor sein erwartungsfrohes Publikum in der voll besetzten Saarbrücker „Bel Étage“ stolpert. Und wie früher sieht er immer noch irgendwie strubbelig aus, lümmelt in souveräner Nonchalance hinter Flügel, Streichersound-geschwängertem Keyboard oder Gitarre und nuschelt mit jung gebliebener Stimme seine alten und neuen Chansons. Das hat durchaus was Ergreifendes, wie gefühlsecht Sulke sich deren meist getragenem Tempo hingibt, wie seine Liebeslieder Verliebten gleich sonnig bummeln und Songs von Tod und Vergänglichkeit herbstlich fahl vor sich hin welken. „Warum war ich bloß so lange weg?“ steht ihm am Ende des Konzerts ins verschmitzt-verschwitzte Gesicht geschrieben. kek