+ Sein Weg ist das Ziel

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+ Sein Weg ist das Ziel

Kerstin Krämer - Journalistin, Autorin und Fotografin | Saarbrücken
Veröffentlicht von kek in Porträt · 22 September 2012
Tags: SZFeuilletonPorträtOperMusiktheater

Porträt, erschienen in der SZ, 22. September 2012

Der Tenor Algirdas Drevinskas liebt sein Theater- und sein Familienleben
Ab heute steht er wieder in seiner preisgekrönten Paraderolle in „Eugen Onegin“ auf der Bühne des Staatstheaters: Der lyrische Tenor Algirdas Drevinskas ist nach vielen Lebensstationen mitsamt Familie am Staatstheater zu Hause.

Saarbrücken. Zum Gespräch in der Kantine des Saarländischen Staatstheaters (SST) erscheint Algirdas Drevinskas mit dem fünf Monate alten Söhnchen Julius auf dem Arm. Der Kleine schlummert während der Unterhaltung friedlich vor sich hin, während seine fast fünfjährige Schwester Clara der Mama Elizabeth Wiles beim Einsingen lauscht – es scheint was dran zu sein, dass entspannte Eltern entspannte Kinder haben. Papa Algis, wie er von Freunden genannt wird, sagt derweil Sätze wie „Der weltbeste Schlager ist nicht halb so schön wie die schlechteste Mozart-Arie." Oder: „Ich bewundere Menschen, die Büroarbeit verrichten. Mich würde man abtransportieren müssen." Er erzählt von seiner Liebe zum Schauspiel. Seinem Faible fürs Komödiantische. Davon, dass er keine Lieblingsrollen habe, weil es immer gerade in der Partie aufgehe, die er gerade singe. Dass er als optimistischer Mensch für alles immer eine Lösung finde und sich auf jede Herausforderung freue. Und dass der Prozess der Gestaltung das eigentlich Spannende sei - „Der Weg ist das Ziel", so könnte sein Lebensmotto heißen. Seit der Spielzeit 1998/99 ist Algirdas Drevinskas als lyrischer Tenor am SST engagiert. Der 47jährige Sänger stammt aus dem litauischen Biržai und studierte zunächst Chordirigieren am Konservatorium in Klaipeda. 1989 wechselte er zum Gesangsstudium an die Musikakademie in Vilnius und setzte seine Ausbildung an der Universität für Musik in Graz fort. Aus dieser Zeit hat Drevinskas neben einem charmanten österreichischen Zungenschlag auch die Freundschaft zu seinem Gesangsprofessor Josef Loibl behalten, dessen Rat er heute noch oft einholt. Der Mentor empfahl ihm, Oratorien zu singen: „Es diszipliniert und hält die Stimme frisch!" Oratorien mag Drevinskas auch, weil er sich bei dieser Musik „mit oben verdrahtet" fühlt. Auch wenn er kein religiöser Mensch ist, jedenfalls nicht in konfessionellem Sinn. „Plärren" ist ihm ein Graus, weshalb er Mozart schätzt, in dessen „Entführung aus dem Serail" er gerade als Belmonte auf der Bühne steht. Mozart fordere ebenfalls Disziplin und Leichtigkeit, zitiert er wieder Loibl: „Wer Mozart singen kann, kann alles singen!" Gesungen hat Drevinskas schon im Kindergarten, „ganz selbstverständlich, ohne Scheu." Als er dann forderte „Ich will in die Musikschule!", habe seine Mutter, heute noch seine beste Freundin, ihn bedingungslos unterstützt. Auch wenn er erst mal mit einem Akkordeon vorlieb nehmen musste, weil für ein Klavier das Geld fehlte. Nach seinem Bühnendebüt 1991 an der litauischen Nationaloper sang sich Drevinskas quer durch Europa und gastierte auch in den USA. „Ich habe mich immer nach einer Karriere in Flugzeugen und Zügen gesehnt, aber bald gemerkt, dass das nichts für mich ist", erzählt er. „Ich genieße meine Familie und die Musik und versuche jeden Tag so zu leben, als wär's der letzte." Rund 90 Opernpartien hat er insgesamt auf dem Buckel, im nächsten Frühjahr singt er in Brittens „The Turn of the Screw" seine 60. Rolle am SST, dessen Sponsor-Club ihn kürzlich für seine Interpretation des Lenskij in Tschaikowskis „Eugen Onegin" ausgezeichnet hat. „Den Lenskij mag ich sehr, weil er mir so ähnlich ist" erzählt Drevinskas über die „wahnsinnig schöne" und zugleich schwere Aufgabe, den Hitzkopf Lenskij im Rollstuhl zu singen und ihm dadurch Innerlichkeit und Tiefe zu schenken. Als seine „schönste Opern-Erfahrung" nennt Drevinskas jedoch den Grafen Almaviva im „Barbier von Sevilla", weil bei dieser runden Produktion einfach alles gestimmt habe. Lampenfieber hat er heute noch; Ausgleich holt er sich drei bis vier Mal pro Woche beim Joggen im Wald - „Hygiene der Seele" nennt er das. Und Epi-Genetik interessiert ihn. Drevinskas ist dankbar, dass er am SST die Chance bekam, mit seinen Rollen zu wachsen. „Hier gibt es Ensemble-Pflege", lobt er. Zum Abschied dreht er sich nochmal um: „Wenn jemand Optimismus braucht - zu mir schicken!" kek



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