+ 32. St. Ingberter Pfanne - Woche der Kleinkunst | 2. bis 8. September 2017
Aus der laufenden Berichterstattung (4. bis 8. September 2017) für das Feuilleton der Saarbrücker Zeitung
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1. Tag
Kannen statt Pfannen, furchtbare Zusammenarbeiten statt fruchtbarer – und ist es nun die 32. oder doch schon die 33. St. Ingberter Pfanne? Oberbürgermeister Hans Wagner brachte in seinem pfanntastischen Grußwort so viel unfreiwillige Komik unter, dass man ins Grübeln kam, ob er hier nicht ebenfalls einen Kabarettbeitrag ablieferte - außerhalb des Wettbewerbs, versteht sich. Und weil Kultusminister Ulrich Commerçon launig in die gleiche Kerbe haute, hatte der Semantikakrobat Philipp Scharrenberg hinterher die Aufgabe, alle diese Ungereimtheiten mit umso wohler gereimten Worten auszubügeln: Bekanntlich ist Scharrenbergs Moderation alle Jahre wieder im wahrsten Sinne des Wortes ein Gedicht.
Um das Chaos zu lichten: Es ist die 33. Woche der Kleinkunst, aber die 32. St. Ingberter Pfanne, die am Samstag in der Stadthalle St. Ingbert eröffnet wurde. Wieder werden nach vier Wettbewerbsabenden insgesamt vier Pfannen, dotiert mit je 4000 Euro, als Preise verliehen – das Prozedere arbeitete Scharrenberg, durch „Rücken“ und „Frosch im Hals“ diesmal leicht angekränkelt, im Publikums-Quiz heraus. Bei ihrem Votum dürften es Fach- und Jugendjury sowie Publikum erneut schwer haben, angesichts der zwölf unterschiedlichen Kleinkunst-Gerichte, die auch in diesem Jahr wieder in der Pfanne brutzeln.
Allein der Auftakt bündelte polarisierende Standup Comedy, vergleichsweise harmloses politisches Kabarett und furiose „Flaschenmusik“ - und er begann mit Buh-Rufen. Einigen Zuschauern war Helmuth Steierwalds selbstironische Nabelschau tatsächlich „Entschieden zu hart“, so der Name seines Programms. Steierwald, mit bürgerlichem Namen Emir Puyan Taghikani, ist iranisch-türkischer Abstammung, er hat eine wunderbar sonore Stimme und eine klare Botschaft: Steierwald plädiert für die Befreiung von Rollenzuschreibungen, die von außen an einen heran getragen werden. Auslöser für viele Vorurteile, mit denen er es zu tun kriegt, ist seine orientalisch anmutende robuste Virilität, die er hier zum Dreh- und Angelpunkt seiner schonungslosen Selbstbespiegelung machte. Dabei punktete der fränkische Berserker mit vitaler Präsenz wie rhetorischer Brillanz (als geschulter Poetry Slammer spuckt er stringent fließende Satzkaskaden aus) und provozierte zugleich mit derb-expliziten Inhalten.
Weitaus stubenreiner als diese gutbürgerlich-asoziale Ethno-Comedy gestaltete sich danach Eric Lehmanns Kampf des Kleinen Mannes. Lehmann, Mitglied des Dresdener Kabaretttheaters „Herkuleskeule“, sucht sich seine Rollen selbst aus. So schlüpfte er in die niedliche Haut des sächselnden Kleingärtners und Frauenverstehers Uwe Wallisch, der im Schrebergarten bedingungslose Willkommenskultur pflegt und auf Ebay-Kleinanzeigen mit der Dummheit seiner Mitbürger wie seiner eigenen konfrontiert wird. Oder in die des bajuwarisch grantelnden Försters Schorsch, der es auf dem Outdoor-Spielplatz Wald mit überbehütenden spätgebärenden Helikopter-Mamis zu tun kriegt. Da war befreites Auflachen angesagt – wirklich bissig wurde Lehmann erst, als er sich zynisch des Pflege-Wahnsinns im Gesundheitsunwesen annahm.
Stakkato-Applaus und Zugabeforderungen erntete schließlich das phänomenale GlasBlasSing Quintett, TV-bekannt und alles andere als ein Newcomer. Kreatives Upcycling lautet die Devise des nicht nur oral versierten Fünfers, der bei seinem Blow Job der besonderen Art a-cappella-Gesang, Flaschen-Blasen, daumengeploppte Stubbi-Klänge und Pullen-Percussion kombiniert. Ob Xylophon aus Flachmännern, Pauken aus Wasserspendern oder zischende Drucksprüher: Kindlich alberne Spiellust, originelle Texte, handwerkliche Perfektion und stimmige Choreografie ergeben ein ebenso verblüffendes wie unwiderstehliches musikalisch-komisches Gesamtpaket, das im Pop- und Klassik-Universum neue Welten eröffnet – unerhört gut.
2. Tag
Stakkato-Applaus und Zugabeforderungen erntete schließlich das phänomenale GlasBlasSing Quintett, TV-bekannt und alles andere als ein Newcomer. Kreatives Upcycling lautet die Devise des nicht nur oral versierten Fünfers, der bei seinem Blow Job der besonderen Art a-cappella-Gesang, Flaschen-Blasen, daumengeploppte Stubbi-Klänge und Pullen-Percussion kombiniert. Ob Xylophon aus Flachmännern, Pauken aus Wasserspendern oder zischende Drucksprüher: Kindlich alberne Spiellust, originelle Texte, handwerkliche Perfektion und stimmige Choreografie ergeben ein ebenso verblüffendes wie unwiderstehliches musikalisch-komisches Gesamtpaket, das im Pop- und Klassik-Universum neue Welten eröffnet – unerhört gut.
2. Tag
„Buh-Rufe? Leute, das gibt’s hier nicht!“ ermahnte Moderator Philipp Scharrenberg das Publikum am Sonntag. Er bezog sich damit auf den Vortag, als der Auftritt von Helmuth Steierwald derlei Unmutsbekundungen provoziert hatte. Als Alternativen despektierlicher Meinungsäußerung illustrierte Scharrenberg verschiedene Formen des demonstrativen Nicht-Klatschens, wovon jedoch am zweiten Abend des Kleinkunstfestivals St. Ingberter Pfanne niemand Gebrauch machte. Im Gegenteil: Da ernteten alle drei Wettbewerber beherzten Zwischenapplaus, ja sogar Bravo-Rufe.
Auf eine „Kreuzfahrt für Seekranke“ nahm Martin Herrmann die Zuschauer mit. Der Kabarettist und Liedermacher, Ex-Redakteur der Satirezeitschrift „Pardon“, ist ein Urgestein der Pfanne: Vor genau 30 Jahren gewann Herrmann die Auszeichnung schon einmal. Formal ist er sich, „unter Reimzwang“ stehend, treu geblieben und kredenzt lustvoll boshafte Lieder (zur akustischen Gitarre) und Texte im Wechsel. Dabei navigiert mit hintersinniger Häme von Thema zu Thema, ohne dass einem schwindlig wird, und steuert gelassen durch diverse gesellschaftspolitische Gewässer: Ganz subtil kriegt Herrmann Streikkultur, (Schwulen-)Ehe, Apothekenumschau, Mode, Zölibat oder die Pille für den Mann auf einen Dampfer – mit hohem Erkenntnisgenuss für seine Passagiere, die ihm gebannt an den Lippen hängen. Und selbst wenn er einen Eierschneider zur tibetanischen Taschenharfe adelt, dient das der spirituellen Bewusstseinserweiterung.
Auf eine „Kreuzfahrt für Seekranke“ nahm Martin Herrmann die Zuschauer mit. Der Kabarettist und Liedermacher, Ex-Redakteur der Satirezeitschrift „Pardon“, ist ein Urgestein der Pfanne: Vor genau 30 Jahren gewann Herrmann die Auszeichnung schon einmal. Formal ist er sich, „unter Reimzwang“ stehend, treu geblieben und kredenzt lustvoll boshafte Lieder (zur akustischen Gitarre) und Texte im Wechsel. Dabei navigiert mit hintersinniger Häme von Thema zu Thema, ohne dass einem schwindlig wird, und steuert gelassen durch diverse gesellschaftspolitische Gewässer: Ganz subtil kriegt Herrmann Streikkultur, (Schwulen-)Ehe, Apothekenumschau, Mode, Zölibat oder die Pille für den Mann auf einen Dampfer – mit hohem Erkenntnisgenuss für seine Passagiere, die ihm gebannt an den Lippen hängen. Und selbst wenn er einen Eierschneider zur tibetanischen Taschenharfe adelt, dient das der spirituellen Bewusstseinserweiterung.
Ungefähr die dreifache Menge an Energie und Tempo kam danach mit Podewitz auf die Bühne, auch wenn sich das Brüderpaar mit einem allzu ausgedehnten „Mystery Special“ über Fake News aus der Pausen-Forschung zum Schluss ein wenig selbst den Wind aus den Segeln nahm. Fiktive Reportagen, feierliche Vorträge und irritierende Dialoge: Mit Anarcho-Humor, Quasselorgien, raschen Szenenwechseln und atemlosen Sprachspielereien können Willi und Peter Podewitz durchaus als abgespeckte deutsche Antwort auf Monty Python durchgehen. Wobei im aktuellen Programm „selten dämlich“ der eine den Part des solistischen An- und Aufheizers übernimmt und der andere den bräsigen Antipoden gibt. Nonsens? Nicht immer: In den besten Momenten gelingt Podewitz gut getarntes politisches Kabarett, bei dem hier vor allem die mediale Berichterstattung gewaltig eins vor den Bug kriegte.
Mit einer gehörigen Portion Welpencharme und ansteckender Spiellust bezirzte zum musikalischen Abschluss das junge Berliner Quartett „Tonträger“. Die vier Jungs machen szenisch aufbereiteten, stilistisch flexiblen und ohrwürmigen Deutschpop mit pointenreichen, selbstironischen Texten, gefälligen Arrangements und gutem Lead- sowie Chorgesang, wobei sich Wort und Musik oft ironisch konterkarieren. Das wäre auch ohne die obligatorische Mitmach-Animation gut angekommen.
3. Tag
Nicht gerade der stärkste Wettbewerbsabend des Kleinkunstfestivals St. Ingberter Pfanne war der Dienstag. Als „krassester banger im game“, mit scharfer Zunge und schwarzem Humor angekündigt war der als Poetry Slammer bekannt gewordene Thomas Spitzer, zu dessen moralischer Unterstützung eigens seine TV-Kollegin Hazel Brugger im Publikum mitfieberte. Wer hier jedoch, wie der Nachname suggeriert, auf „Zuspitzung“ gehofft hatte, wurde enttäuscht: Tatsächlich kam „Super Funny“, das erste Comedy-Soloprogramm des Freiburgers, hier als überraschend biederes und mau gewürztes Pfannengericht daher. Verbale Feinkost? Tabu-Brüche nach aparter Rezeptur? Scharf angebratene Wortspiele? Spitzer machte einen eher lustlosen Eindruck und servierte neben wenigen gewollt dilettantischen Reimen überwiegend nicht wirklich pikante Belanglosigkeiten, die durch überlanges Erhitzen fade verköchelten. Und Kotz-Orgien, Porno-typische Sperma-Ergüsse und unter Burkas manifestierte Pupse waren eher geschmacklose denn provozierende Zutaten. Ein paar Schlagfertigkeiten, kluge Gedanken zu Beziehungen und einige gut abgehangene trockene Sprüche machen halt noch keinen satirischen Guerilla Koch.
Fast ohne Worte beziehungsweise nur mit einer verdächtig nach Holländisch klingenden Kunstsprache kam danach die „Geräuschpantomime“ von Paul & Willi aus. Wer das Duo schon bei der Regionalverbands-Reihe „Comedy im Herbst“ erleben durfte, weiß, wie schreiend komisch es sein kann und welche schweißtreibende Perfektion seine um akustische Zuspielungen ergänzte Schauspielkunst erfordert. Hier jedoch kamen viele Gags in den hinteren Reihen der Stadthalle nicht an, weil mancher verrückte Einfall auf die Distanz nicht zündete und auch diverse Feinheiten im Mienenspiel verloren gingen. Schade. Außerdem waren die beiden dramaturgisch schlecht beraten, das Plaudergeplänkel zwischen den eigentlichen Nummern nicht drastisch zu kürzen: Das gehört zwar zum Konzept, weil es viel über die Beziehung der beiden Kunstcharaktere erzählt, trägt aber nur innerhalb einer abendfüllenden Show - nicht bei einem Kurzauftritt.
Zum Abschluss gab's auch am dritten Pfannentag wieder eine Musikgruppe. Vokalterzett zu viert oder Boygroup mit Dame? Das Quartett „Vocal Recall“ ist ein Gesangstrio, das sich bei einem Pianisten und einem leider oft wenig eleganten elektronischen Rhythmusknecht Unterstützung holt. Vocal Recall setzen auf Nummer sicher: Wer bekannte Hits, sei es aus Klassik oder Pop, witzig und mit originellen Wortspielen neu betextet und außerdem die Moderationslast mit kabarettreifen Dialogen auf sämtliche Schultern verteilt, der kann eigentlich nichts falsch machen. Zumal hier auch das Handwerk stimmte – sehr schön etwa der gregorianische Steuererklärungs-Choral. Gesamtprädikat: nett, aber ein bisserl zu brav.
4. Tag
Fast ohne Worte beziehungsweise nur mit einer verdächtig nach Holländisch klingenden Kunstsprache kam danach die „Geräuschpantomime“ von Paul & Willi aus. Wer das Duo schon bei der Regionalverbands-Reihe „Comedy im Herbst“ erleben durfte, weiß, wie schreiend komisch es sein kann und welche schweißtreibende Perfektion seine um akustische Zuspielungen ergänzte Schauspielkunst erfordert. Hier jedoch kamen viele Gags in den hinteren Reihen der Stadthalle nicht an, weil mancher verrückte Einfall auf die Distanz nicht zündete und auch diverse Feinheiten im Mienenspiel verloren gingen. Schade. Außerdem waren die beiden dramaturgisch schlecht beraten, das Plaudergeplänkel zwischen den eigentlichen Nummern nicht drastisch zu kürzen: Das gehört zwar zum Konzept, weil es viel über die Beziehung der beiden Kunstcharaktere erzählt, trägt aber nur innerhalb einer abendfüllenden Show - nicht bei einem Kurzauftritt.
Zum Abschluss gab's auch am dritten Pfannentag wieder eine Musikgruppe. Vokalterzett zu viert oder Boygroup mit Dame? Das Quartett „Vocal Recall“ ist ein Gesangstrio, das sich bei einem Pianisten und einem leider oft wenig eleganten elektronischen Rhythmusknecht Unterstützung holt. Vocal Recall setzen auf Nummer sicher: Wer bekannte Hits, sei es aus Klassik oder Pop, witzig und mit originellen Wortspielen neu betextet und außerdem die Moderationslast mit kabarettreifen Dialogen auf sämtliche Schultern verteilt, der kann eigentlich nichts falsch machen. Zumal hier auch das Handwerk stimmte – sehr schön etwa der gregorianische Steuererklärungs-Choral. Gesamtprädikat: nett, aber ein bisserl zu brav.
4. Tag
Die diesjährige Pfanne hatte, man muss einfach mal deutlich sagen, eine verdammt miese Frauenquote - unter insgesamt 27 Teilnehmern nur zwei weibliche! Umso schöner, dass die einzige Solistin im Wettbewerb richtig abräumte: Mit intelligentem literarischem Kabarett machte Sarah Bosetti am Mittwoch gleich zu Anfang klar, dass der vierte Abend die Niveau-Latte deutlich höher legen würde als der schwächelnde Vortag.
Bosetti erzählte Geschichten vom schönen Scheitern, an Beziehungen und Zielen. Mal las sie vor, mal plauschte sie auswendig, mal beließ sie es bei vielsagenden Andeutungen, um dann wieder in verbalen Sturzbächen zu baden, hemmungslos zu übertreiben oder surreale Elemente einzuflechten. Aber was oder wie sie es auch sagte: Es war durchweg klug, stellte Dinge genüsslich in Frage, brach mit Erwartungshaltungen, zeugte von einer dezidierten Haltung (ihr raffiniertes Bekenntnis zum Feminismus etwa), von Sensibilität, Empathie und sarkastischem Humor – und fein ziselierte Lyrik kann die Frau außerdem.
Die bevorstehende Bundestagswahl war zwar auch am letzten Abend kein Thema, aber dass er unpolitisch gewesen wäre, kann man Stefan Danziger nun wirklich nicht vorwerfen: Der gebürtige Dresdener entpuppte sich als kabarettistischer Knaller mit perfektem Timing und hatte das Publikum von der ersten Sekunde an im Griff. Danziger ist der Typ, der mühelos jede lahme Party aufmischt: ein unwiderstehliches Unterhaltungstalent alter Schule mit frecher Berliner Schnauze, Charme und Mutterwitz. Als knuffiger Berliner Stadtführer schwadronierte er so ungezwungen wie bezwingend drauflos, entwarf absurde Phantasieszenarien und mischte kuriose Alltagsbeobachtungen aus Berlin, dem deutschen Osten oder der Sowjetunion mit politischen Seitenhieben. Dass das alles obendrein kulturhistorisch gut unterfüttert war, machte etwa seine Schilderung der „wahren“ Umstände des Mauerfalls deutlich – großartig.
Ebenfalls eine Rampensau, wenn auch ganz anderer Art, ist Chansonkabarettist Jo van Nelsen, der sich mit seinem Programm „Kitsch“ bereits 1998 eine Pfanne geholt hatte. Nun trat der Routinier mit einer wie Schmidts Katze schnurrenden Band aus Kollegen vom Frankfurter Tigerpalast an, steckte persönliche Lieblingslieder in jazzige Arrangements und brachte glamouröses Varietéflair auf die Bühne der Stadthalle. Während sich Songs von Friedrich Hollaender oder Hildegard Knef hier im Wettbewerbsrahmen recht altbacken ausnahmen, waren Titel von Kollegen wie Bodo Wartke, Fabian Schläper oder Tina Häussermann auch zeitlich auf der Höhe. Große Gesten, ein professionell festzementiertes Zahnpasta-Lächeln, beschwingtes Tänzeln und eine geradezu maliziöse Lust am Auskosten von Emotionen und am Flirt mit den Zuschauern: Van Nelsen begeisterte mit theatralischen Interpretationen, bot aber leider inhaltlich nichts Eigenes.
Bosetti erzählte Geschichten vom schönen Scheitern, an Beziehungen und Zielen. Mal las sie vor, mal plauschte sie auswendig, mal beließ sie es bei vielsagenden Andeutungen, um dann wieder in verbalen Sturzbächen zu baden, hemmungslos zu übertreiben oder surreale Elemente einzuflechten. Aber was oder wie sie es auch sagte: Es war durchweg klug, stellte Dinge genüsslich in Frage, brach mit Erwartungshaltungen, zeugte von einer dezidierten Haltung (ihr raffiniertes Bekenntnis zum Feminismus etwa), von Sensibilität, Empathie und sarkastischem Humor – und fein ziselierte Lyrik kann die Frau außerdem.
Die bevorstehende Bundestagswahl war zwar auch am letzten Abend kein Thema, aber dass er unpolitisch gewesen wäre, kann man Stefan Danziger nun wirklich nicht vorwerfen: Der gebürtige Dresdener entpuppte sich als kabarettistischer Knaller mit perfektem Timing und hatte das Publikum von der ersten Sekunde an im Griff. Danziger ist der Typ, der mühelos jede lahme Party aufmischt: ein unwiderstehliches Unterhaltungstalent alter Schule mit frecher Berliner Schnauze, Charme und Mutterwitz. Als knuffiger Berliner Stadtführer schwadronierte er so ungezwungen wie bezwingend drauflos, entwarf absurde Phantasieszenarien und mischte kuriose Alltagsbeobachtungen aus Berlin, dem deutschen Osten oder der Sowjetunion mit politischen Seitenhieben. Dass das alles obendrein kulturhistorisch gut unterfüttert war, machte etwa seine Schilderung der „wahren“ Umstände des Mauerfalls deutlich – großartig.
Ebenfalls eine Rampensau, wenn auch ganz anderer Art, ist Chansonkabarettist Jo van Nelsen, der sich mit seinem Programm „Kitsch“ bereits 1998 eine Pfanne geholt hatte. Nun trat der Routinier mit einer wie Schmidts Katze schnurrenden Band aus Kollegen vom Frankfurter Tigerpalast an, steckte persönliche Lieblingslieder in jazzige Arrangements und brachte glamouröses Varietéflair auf die Bühne der Stadthalle. Während sich Songs von Friedrich Hollaender oder Hildegard Knef hier im Wettbewerbsrahmen recht altbacken ausnahmen, waren Titel von Kollegen wie Bodo Wartke, Fabian Schläper oder Tina Häussermann auch zeitlich auf der Höhe. Große Gesten, ein professionell festzementiertes Zahnpasta-Lächeln, beschwingtes Tänzeln und eine geradezu maliziöse Lust am Auskosten von Emotionen und am Flirt mit den Zuschauern: Van Nelsen begeisterte mit theatralischen Interpretationen, bot aber leider inhaltlich nichts Eigenes.
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